Musikvideos, schnell und perfekt geschnitten, am Beispiel Pietro Lombardi und Thomas Godoj

Viele fragen mich immer: „Wie machst du das, dass du innerhalb von einer Nacht einen ganzen Musikclip mit Musik-Synchronisierung und einer kleinen Vignette (Sidestory) schneiden kannst?! Sogar inklusiv der Farbkorrektur und meistens sogar einer morgentlichen Abnahme seitens des Kunden  ?!!“

Hier nun meine Methode, die seit 14 Jahren eprobt und perfektioniert wurde.

Zum einen braucht man das richtige Werkzeug. Das ist in meinem Fall die Software von

In-Sync – RAZOR …

Diese Software kennt heute kein Mensch mehr, zumindest kein Mensch, der erst seit 6 Jahren im Business ist.
RAZOR war damals von In-Sync herausgebracht worden und war im Bundle mit der DIgiSuite von MATROX erhältlich. Per Zufall kam ich damals zu der Software und blieb, zumindest im Kopf, bis heute dabei. Später wird man verstehen, was ich damit meine.

Razor war ein rein SD-basierendes Schnittsystem. HD war 1998 zumindest in Deutschland noch in ferner Zukunft. Damals hatte ich mich gerade auf dem Musikclipmarkt etablieren wollen und fand eine Kamera, die damals einzigartig war.

Es war im Nachhinein wirklich revolutionär, denn man kann schon sagen, dass ich damals der erste Musikclipregisser war, der digitale Videos auf VIVA laufen hatte,

Bis dato waren es meist 16,35 oder sogar 8mm FILM-Material, die das damalige Musikclipbusiness nutzte.
Ich hielt zufällig im Oktober 1997 die DX-1 von PANASONIC in den Händen und habe wieder mal mit den Menü-Einstellungen herum gespielt. Das tat ich immer an neuen Geräten um evtl tolle Farben oder tolle Effekte zu finden.

Die DX-1 war eine der ersten DV Kameras. Also digitales Video auf Band. Natürlich im SD-PAL oder NTSC Format.

 

Diese Kamera war damals neu auf den Markt gekommen und wurde, für so eine Kamera recht ungewöhnlich, zu einem recht hohen Preis angeboten. Ich glaube es waren 6900.-DM

Nach längerem Probieren hatte ich eine Einstellung an der Kamera entdeckt, dass man auf Knopfdruck ein etwa 5 sekündiges Standfoto machen konnte,
Das besondere jedoch war nicht die Tatsache des Standfotos, sondern die Umschaltmöglichkeit von Halbbildaufzeichnung auf VOLLBILD.
Dies sei Qualitätssteigernd bei Standbildaufnahmen. Stimmt auch.
Diese Einstellung wurde jedoch in der Anleitung abgeraten, wenn man mit der Kamera filmen wollte.

Das jedoch tat ich und bemerkte eine Besonderheit. Plötzlich war das Filmbild nicht mehr so wie gewohnt: glatt, gleitend und videoästhetisch, wie es bis dahin immer war.
Nein, es war filmisch, es „ruckelte“ bei schnellen Schwenks, wie man es aus Spielfilmen im TV kannte. Und das war gut, sogar sehr gut…
Es war einfach unglaublich für mich. Es sah zum ersten mal so aus, als hätte man eine 16mm Abtastung vor sich.
Aber eben nicht umständlich mit Film aufgenommen und im Kopierwerk abgetastet.
Es war gleich aus der Kamera schon so in dem Look.
Ich behielt diesen Trick damals lange für mich und bemerkte auch, dass in einschlägigen Zeitschriften und Magazinen niemand anders so in der Art filmte.

Langsam kam ich dann ins Business hinein und hatte auch ca 2-3 Jahre lang bei vielen Plattenfirmen den ruf des preiswerten und guten Digitalfilmers.
Wir konnten bis zu 15.000 DM sparen im Gegensatz zu herkömmlichen Companies.
Also wurden wir weiterempfohlen und kamen gut herum.

Zwischen 1998-2003 drehte ich im Durchschnitt 30-40 Clips im Jahr.

DIe Dancemusik brummte und wir hatten viele von den DanceEintagsfliegen als Künstler vor uns. Aquagen, DJ´s & Work, Mark Oh, DJ Quicksilver, Flying Steps, Red5, Alex C, DJ Dean usw gehörten zu unseren Dauerbrennern.

Die Musikindustrie ist sehr schnelllebig. Häufig bekommen wir zb Mittwochs den Auftrag am kommenden Sonntag einen Clip zu drehen, um ihn dann am Dienstag ins VIVA Clipmeeting zu bekommen. OKEY…

Das geht natürlich nur mit einer guten Planung, schnellen Maschinen und flinken Fingern.

Wie anfangs gesagt, arbeitete ich mit RAZOR.

Damals musste man noch das Material von der Kamera ins System digitalisieren.
Sprich: Band einlegen, und ins System aufnehmen. wie mit einem Rekorder.
Wenn man also 3 Std Material hatte, dauerte es mindestens 3 Stunden um es ins System zu bekommen.

Und jetzt muss das ganze auch noch gesynct werden und geschnitten.

Razor hatte als eins der wenigen Systeme die Möglichkeit auf unendlich vielen Spuren die Clips zu  platzieren.

Es wurde immer der Clip, der oben frei liegt im Programmfenster angezeigt.
Somit schob ich immer die für mich relevanten Clips nach ganz oben.

Aus der Tatsache heraus entwickelte ich die Technik, alle Mastergesangsshots exact untereinander in die Timeline zu platzieren.
Ich suchte mir also bei allen Gesangsdurchläufen einen Anfangspunkt und syncte den zu der Musik, die auch in der Timeline lag.
Da ich ca. 25-30 Gesangsdurchläufe pro Clip hatte, waren am Ende 25-30 Spuren nur mit Gesang untereinander. Alle exact mit der Musik gesynct die unten synchron lag.
Nun begann ich zu schneiden.
Ich sehe immer in der Timeline bereits ein Referenzbild von dem betreffenden Clip und kann also schnell entscheiden, welche Einstellungsgrösse jetzt im fertigen Clip kommen soll.

Als Programmspuren lege ich oben noch 3-4 Spuren an.

Nun gehts an den Schnitt.

Ich schau mir den Song an und überlege mit welchem Gesangsduchlauf ich starte.

Entweder sieht man den Sänger in der Totalen, oder er kommt gerade ins Bild, oder nehm ich ihn ganz close ?! Das sind natürlich Entscheidungen, die mir keiner nehmen kann. Das muss ich im Gefühl entscheiden.

Ist der Anfang getan, läuft es eigentlich wie von selbst weiter.
Ich schneide mir mit einer schnellen Tastenkombination die einzelnen Spuren durch und schaue schnell, was an der jeweiligen Sekunde gerade im Bild zu sehen ist.
Jede einzelne Spur gehe ich so durch und entscheide in Sekundenbruchteilen, ob das Bild gerade nutzbar ist, oder nicht.
Ich achte immer auf Takt, ich lass den Song kurz laufen, zähle den Takt und markiere die Stelle. An der Stelle schaue ich dann wieder alle 30 Spuren durch, in dem ich jede Spur kurz durchschneide, scrubbe um dann evtl die Stelle zu nehmen oder auf die nächste Spur übergehe.

Immer wenn ich einen guten Bereich sehe, schneide ich mir einen ca 3 sekunden langen Streifen ab und schiebe ihn so in die oberste Spur, damit er dann später im Clip zu sehen ist. Dabei muss man höllisch aufpassen, dass man den Clip nicht nach links oder rechts verschiebt. Dann wäre der Sync weg.

Am Ende sieht das Gebilde dann schon ziemlich wüst aus, aber das ist in meinen Augen die effizienteste Methode um Clips zu schneiden.

Mit MATROX hatte man schon immer die Möglichkeit den Farblook gleich im Schnitt zu definieren. Ich nutze seit damals bis heute immer  Matrox, da ich dort die Echtzeit Farbkorrekturen sehr schätze. Das gibt mir die Freiheit bereits mit Farbkorrektur zu schneiden um dann am Ende sofort dem Kunden einen color-gegradeten Clip zu präsentieren.

Nochmal ein Wort zu meinem heutigen Schnittsystem:
Es ist mir eigentlich völlig egal womit ich schneide. Wichtig ist mir die Möglichkeit der Timeline auch mehr als 20 Spuren zu benutzen und wichtig ist, dass die Farbkorrektur gleich im Schnitt realisierbar ist, ohne dass es zu Wartezeiten kommt.
Zusätzlich habe ich heute wie damals immer noch die selben Tastenkürzel, die ich immer noch aus meiner RAZOR Zeit verinnerlicht habe. Deswegen sage ich immer noch, dass ich im Kopf noch bei RAZOR bin aus dem Jahr 1998… Was man einmal lernt, vergisst man nicht.

Nochwas zum Prozedere.

Es kam mir nie darauf an „schnell“ fertig zu werden. Ich wollte, dass ich bis zum Schluss Änderungsmöglichkeiten bis in den kleinsten Schnitt im Video hatte. Auf meine Art sind immer noch ALLE Spuren untereinander sichtbar und ich kann auf Wunsch: “ Sach mal hast du noch ne andere Naheinstellung“, innerhalb von Minuten dem Kunden eine neue Version hochladen. Dass das schnell geht, ist ein Nebeneffekt.. mit anderen Methoden, wie Multikam, von dem ich bislang nix halte, kann man nicht mehr so übersichtlich in die Änderungsrunden gehen. Meine Meinung.

Heute arbeite ich mit Premiere 5.5.1 bzw Premiere 6.
Alles auf Matrox Basis. (Axio HD, Axio LE und jetzt MXo2)

Diese Systeme laufen unter Pr5.5.1 unglaublich stabil. Ich hatte mit Pr 4 echte massive Absturzprobleme. Aber seit ich auf Pr 5 umgestiegen bin, ist meine Absturzrate auf ein Minimum reduziert.
Auch die Frage ob ich PC oder MAC arbeite, kann ich eindeutig mit PC beantworten.

Ich habe schon immer aus Kostengründen auf PC geschnitten und war auch größtenteils zufrieden damit.

Jedoch werde ich in kürze auf MacBook Prem6 einsteigen und auch da ausführlich testen.

Ich bin gespannt. Erst jetzt lohnte es sich mich auf ein neues System einzulassen.
Das neue MB hat 760gb SSD mit grossem RETINA Display.
Alles spricht dafür dass ich es gut nutzen kann.
Auch dafür werde ich höchstwahrscheinlich Matrox nutzen. DIe Mx02 MINI werde ich per Thunderboltadapter anschliessen.
Aber das seh ich dann, wenn das Gerät vor mir steht.

bis dann.

Hier noch ein Video von Thomas Godoj, welches ich innerhalb einer Nacht geschnitten hatte:

http://www.clipfish.de/special/musikvideos/video/2599815/love-is-you/

 

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